Vorlage - 2008/032
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Sachlage:
Das Nds. Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und
Gesundheit, hat für vier ausgewählte Standorte (Hannover, Braunschweig,
Oldenburg und Lüneburg) das Modellprojekt Koordinierungszentrum Kinderschutz
– Kommunales Netzwerk „Frühe Hilfen“ ins Leben gerufen. Die
finanzielle Förderung des Projekts erfolgt über drei Jahre.
Das aufzubauende Netzwerk „Frühe Hilfen“ zielt
schwerpunktmäßig auf Säuglinge und Kleinkinder (Alter 0 bis 3 Jahre), damit zu
einem möglichst frühen Zeitpunkt Risikosituationen erkannt und Hilfestellungen
zur Vermeidung von Kindeswohlgefährdungen angeboten werden können.
Durch eine Verbesserung der Koordination und Vernetzung der
unterschiedlichen Einrichtungen und Dienste auf lokaler Ebene soll es möglich
werden, sich wirksamer als bisher um Vernachlässigung, Gefährdung und
Misshandlung von Kindern zu kümmern und diese vor diesen Übergriffen zu
schützen. Hierzu ist es unter anderem erforderlich, dass die Qualität und
Wirksamkeit des Kindesschutzes dadurch verbessert wird, dass die Zusammenarbeit
der verschiedenen Professionen verbindliche, berechenbare und verlässliche
Strukturen erhalten. Diese Strukturen gilt es unter Beachtung des Datenschutzes
herzustellen, zu erproben und zu verfestigen.
Zu den Akteuren gehören neben der öffentlichen Kinder- und
Jugendhilfe unerlässlich das Gesundheitswesen, die Justiz (zum Beispiel Familiengerichte) und die Polizei.
Schulen, Kindertagesstätten, Familienbildungsstätten,
Kinderschutzbund und die Träger der freien Jugendhilfe und viele andere dem
Kindesschutz verpflichtete Organisationen und Dienste sind einzubinden.
Auch wenn die Stadt Lüneburg Träger des Projekts ist, hat sie
von Anfang an den Landkreis Lüneburg in die Arbeit des Projekts integriert. So
sind unter anderem auch Vertreter des Landkreises Mitglieder in dem für das
Projekt zu gründenden Beirat.
Die Moderations- und Koordinationsarbeit beim Aufbau des
Modellprojekts leisten zwei Mitarbeiter des Jugendamts der Hansestadt Lüneburg,
Frau Brigitte Rieckmann und Herr Burkhard Hoferichter. Beide werden im Rahmen
dieser Ausschusssitzung im Rahmen einer Präsentation den Ansatz und die Ziele
des Projekts noch einmal ausführlich darstellen, die zeitliche und inhaltliche
Planung erläutern und auf die bisher umgesetzten Schritte verweisen.
In der Sitzung vom 28.05.2008 hat der Jugendhilfeausschuss die
Verwaltung beauftragt, Möglichkeiten zur Förderung und Betreuung von werdenden
Müttern und Kleinkindern aus sozial benachteiligten Familien zu prüfen und ein
Konzept zu entwickeln (siehe Vorlage Nr. 2008/086).
Die Verwaltung versteht die im Folgenden gemachten Ausführungen
als Zwischenbericht und Information des Ausschusses über die zurzeit laufenden
Aktivitäten in Landkreis und Hansestadt Lüneburg zu dem genannten Thema.
Das Ziel der Verwaltung ist es, möglichst die gemeinsame Arbeit
im Beirat zum Koordinierungszentrum zu nutzen, die verschiedenen Aktivitäten
miteinander zu verknüpfen und zu koordinieren. Dies erscheint insbesondere vor
dem Hintergrund sinnvoll, da zurzeit von verschiedenen Trägern mit
verschiedenen Finanzierungsmodellen Aktivitäten in dem Bereich Frühe Hilfen
erfolgen oder geplant sind. Der Verwaltung sind zurzeit folgende Angebote und
Projekte bekannt:
Wellcome
Wellcome wird vom Diakonieverband Lüneburg in zwei Standorten (Stadt Lüneburg
über Familienbildungsstätte, Landkreis Lüneburg über Ma Donna) angeboten.
Inhalt und Ziel des Projekts ist es, Freiwillige über die Anleitung von
Professionellen zur Unterstützung insbesondere in der postnatalen Phase
einzusetzen. Familien können diese Hilfe unmittelbar bei dem jeweiligen Träger
abrufen.
Die Finanzierung für das Projekt im Landkreis Lüneburg erfolgt aus Eigenmitteln
des Trägers, Spenden und zu 50 % aus Mitteln des Landesprojekts „Familie
mit Zukunft“. Die entsprechenden Landesmittel wurde von dem Träger über
den Landkreis Lüneburg – nur dieser ist antragsberechtigt – beim
Land angemeldet und bereits gewährt.
Der Einsatz des hier tätigen freiwilligen Personals ist in der Regel auf einen
bestimmten Zeitraum, im Durchschnitt ein Vierteljahr bis zu einem halben Jahr
nach der Geburt, begrenzt. Das Anwerben eines entsprechenden freiwilligen
Potenzials ist nicht ohne Schwierigkeiten. Der Träger hat daher das Projekt
bereits in allen Sozialraumkonferenzen im Landkreis Lüneburg vorgestellt und um
entsprechende Unterstützung geworben. Die Verwaltung ist bemüht, aktuelle
Zahlen zum Umfang der zurzeit im Rahmen dieses Projekts geleisteten Arbeit im
Sitzungstermin am 27.10.2008 vorzutragen.
Durch den Wegfall von Komplementärfinanzierungen liegt derzeit dem Landkreis
auch ein Antrag des Trägers Ma Donna vor, sich nunmehr mit eigenen Mitteln an
der Projektfinanzierung zu beteiligen.
Erziehungslotsen:
Unter der Bezeichnung Erziehungslotsen hat das Land Niedersachsen ein neues,
ebenfalls auf die Tätigkeit von Ehrenamtlichen abzielendes Projekt ins Leben
gerufen. Auf Seiten der Jugendhilfeträger hat der Weg, auf dem dieses Projekt gestaltet und ins
Leben gerufen wurde, zu Unverständnis und Verärgerung geführt.
Das Land hat das Projekt allein in Zusammenarbeit mit Familienbildungsstätten
entwickelt. Eine Beteiligung der öffentlichen und freien Jugendhilfe hat erst
kurz vorm Sommer 2008 stattgefunden. Interessanterweise hat das Land die
Familienbildungsstätten gebeten, im Vorfeld keinen Kontakt zu den örtlichen
Jugendhilfeträgern aufzunehmen.
Erziehungslotsen sollen über die Familienbildungsstätten in einem Kursus von
zwischen 40 und 50 Unterrichtsstunden qualifiziert werden. Eine
Vorqualifikation ist nicht erforderlich, nur das Beibringen eines polizeilichen
Führungszeugnisses. Die Familienbildungsstätte Lüneburg wird dieses
Kursprogramm durchführen und ist zurzeit mit der Auswahl einer entsprechenden
Lehrkraft beschäftigt. Nach übereinstimmender Auffassung der Jugendhilfe der
Hansestadt Lüneburg und des Landkreises Lüneburg ist dieses Projekt äußerst
kritisch zu sehen. Nach der vom Land verlautbarten Absicht sollen
Erziehungslotsen Familien in kritischen Situationen oder bei Schwierigkeiten im
familiären Zusammenleben unterstützen. Das Land nennt zwar eine Abgrenzung zur
professionellen Sozialpädagogischen Familienhilfe, beschreibt diese Trennlinie
jedoch nicht weiter.
Interessanterweise will das Land Erziehungslotsen als Angebot an
die Eltern verstanden wissen als Alternative zu von ihm so genannten Maßnahmen
des SGB VIII (KJHG). Es verkennt hierbei völlig, dass die Angebote des SGB VIII
in der Regel alle freiwillig sind und das SGB VIII insoweit keine
Zwangsmaßnahmen enthält.
Das Land beabsichtigt, den Einsatz von Erziehungslotsen über
die Familien- und Kinderservicebüros zu gestalten. Der Begriff
„Kinderservicebüro“ ist insoweit neu, als bisher vom Land allein
der Begriff „Familienservicebüro“ verwand wurde.
Absprachen zwischen dem Jugendamt der Hansestadt Lüneburg und
dem Jugendamt des Landkreises Lüneburg gehen zurzeit dahin, den Einsatz von
Erziehungslotsen nicht zu befördern. Die mit dem Einsatz von ehrenamtlich
Tätigen in kritischen Familiensituationen verbundenen Risiken würden bei einer
Benennung von Familie und dem konkreten Einsatz von Erziehungslotsen in diesen
Familien auf den öffentlichen Jugendhilfeträger übergehen. Da die damit
verbundenen Risiken fachlich nicht als verantwortbar angesehen werden bzw. auch
das entsprechende Personal für die Betreuung der freiwillig Tätigen nicht
vorhanden ist, erfolgt zurzeit keine weitere Unterstützung dieses Projekts.
Gleichwohl wird die Familienbildungsstätte das entsprechende
Ausbildungsprogramm starten. Die Verwaltung ist auch in diesem Punkt bemüht,
zusammen mit der Hansestadt Lüneburg die weitere Entwicklung zu begleiten. Das
Thema war bereits Gegenstand einer Information im Beirat zum oben beschriebenen
Kommunalen Netzwerk Frühe Hilfen.
Erziehungsberatungsstelle:
Auch die Erziehungsberatungsstelle Lüneburg hat sich in der
Person der seit Sommer neu eingestellten Kollegin Frau Padel mit der Thematik
Frühe Hilfen beschäftigt. Es ist insoweit geplant, im Rahmen der Erziehungsberatungsstelle
ein entsprechendes Angebot zu kreieren bzw. ggf. modellhaft zu entwickeln, um
es dann später breiter zu etablieren. Eine konkrete Entscheidung über Form und
Inhalt des Projekts ist derzeit jedoch noch nicht erfolgt. Frau Padel befindet sich
insoweit noch in der Sondierungsphase.
Familienhebammen:
Der Begriff der Familienhebammen ist in Niedersachsen eng
verbunden mit dem Projekt „Eine Chance für Kinder“. Grundsätzlich
gibt es Familienhebammen jedoch bundesweit. Familienhebammen sind staatlich
examinierte Hebammen mit einer Zusatzqualifikation, deren Tätigkeit die
Gesundherhaltung von Mutter und Kind fördern soll. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit
liegt in der psychosozialen medizinischen Beratung und Betreuung von
Risikogruppen durch aufsuchende Tätigkeit und interdisziplinäre Zusammenarbeit
mit anderen Institutionen. Zurzeit ist der Verwaltung nur eine ausgebildete
Familienhebamme im Bereich von Hansestadt und Landkreis Lüneburg bekannt.
„Normale“ Hebammen werden jedoch in besonderen Situationen auch aus
Mitteln der Jugendhilfe zur Begleitung problematischer Familiensituationen
eingesetzt.
Das Thema Familienhebammen ist in Niedersachsen eng verknüpft
mit der Stiftung „Eine Chance für Kinder“ von Frau Hildegard und
Herrn Hermann Schnipkoweit. Schirmherr dieser Stiftung ist der
Ministerpräsident des Landes Niedersachsen, Herr Christian Wulff. Ziel der
Stiftung ist es, durch aufsuchende Hilfe für schwangere junge Mütter und ihre
Kinder in sozial schwierigen Lebenssituationen eine drohende Kindesvernachlässigung
und Kindesverwahrlosung zu verhindern. Die Stiftung bietet neben verschiedenen
anderen Projekten Fortbildungsveranstaltungen für Familienhebammen an.
Pro Kind (www.stiftung-pro-kind.de):
Unter dem genannten Begriff „Pro Kind“ findet
zurzeit an ausgewählten Standorten in Niedersachsen ein Modellprojekt statt.
Die Standorte sind Braunschweig, Celle (Stadt und Landkreis), Göttingen,
Hannover, Laatzen, Garbsen und Wolfsburg.
Seinen Ursprung hat das Programm im amerikanischen
Nurse-Family-Partnership-Program (NFP). Das zurzeit in Niedersachsen
durchgeführte Modellprojekt wird wissenschaftlich begleitet.
Es steht bei freiwilliger Teilnahme Frauen offen, die ihr
erstes Kind bekommen, zwischen der 12. und 28. Schwangerschaftswoche und in finanziell und persönlich schwieriger
Lebenslage sind.
In der Regel beteiligen sich die Modellkommunen mit einer
hälftigen Übernahme der Kosten der Familienhelferinnen.
Die Verwaltung ist im Weiteren bemüht, für den gegebenen
Auftrag ein entsprechendes Konzept für benachteiligte Familien zu entwickeln,
dies insbesondere möglichst in Koordination und Abstimmung mit der Hansestadt
Lüneburg im Rahmen des Kommunalen Netzwerks zu etablieren. Die Verwaltung macht
jedoch darauf aufmerksam, dass sie dies nur im Rahmen der Einheitlichkeit der
Jugendhilfe für sinnvoll und fachlich verantwortbar als in der Zukunft zu
gewährleisten ansieht. Eine Fraktionierung verschiedener Angebote ohne die
koordinierende und verknüpfende Funktion gerade der beiden öffentlichen
Jugendhilfeträger Landkreis und Hansestadt Lüneburg sieht die Verwaltung unter
den Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit als nicht sinnvoll
an.