Anfrage an Fachausschuss / Kreistag - 2025/299
Grunddaten
- Betreff:
-
Anfrage der Gruppe Die Linke/Die PARTEI vom 06.10.2025 zum Thema "Ablehnung des Antrags auf Einrichtung eines Frauenschutzbereichs in der stationären Wohnungslosenhilfe (HERBERGEplus)"
- Vorlageart:
- Anfrage an Fachausschuss / Kreistag
- Klimacheck:
- stark positive Klimawirkung
- Federführend:
- Büro des Landrats/ Presse und Öffentlichkeitsarbeit
- Bearbeitung:
- Kreistagsbüro
- Beteiligt:
- Fachbereich Soziales; Sozialhilfe und Wohngeld
- Verantwortlich:
- Janine Burkhardt, Frank Stoll, Janis Wisliceny, Heike Zöller
Beratungsfolge
| Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Geplant
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Ausschuss für Soziales und Gesundheit
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Kenntnisnahme
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06.11.2025
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Bereit
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Kreisausschuss
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Beratung
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Beschlussvorschlag
Für den Bereich der stationären Wohnungslosenhilfe hat die Lebensraum.Diakonie e.V. einen Antrag auf Einrichtung eines Frauenschutzbereichs gestellt. Diesem Antrag wurde seitens der Verwaltung eine Absage erteilt. Die Zahl wohnungsloser Frauen nimmt seit Jahren zu. Fachgremien auf Landes- und Bundesebene weisen auf die Versorgungslücke für diese Zielgruppe hin. Die Istanbul-Konvention verpflichtet Kommunen und Landkreise, geschlechterspezifische Schutzangebote vorzuhalten. Vor diesem Hintergrund bitten wir um Beantwortung folgender Fragen:
1. Verfahrenshintergrund
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Auf welcher rechtlichen Grundlage und in welchem Verfahren wurde die Entscheidung über die Ablehnung des Antrags getroffen?
- Welche Stellen oder Fachabteilungen des Landkreises waren in die Entscheidung eingebunden?
2. Begründung der Ablehnung
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Welche konkreten Gründe führten zur Ablehnung des Antrags auf Erhöhung der Platzzahl von 62 auf 72 Plätze mit einem separaten Frauenschutzbereich?
- Wurden dabei die in den Antragsunterlagen angeführten rechtlichen Verpflichtungen (z. B. Istanbul-Konvention, Beschlüsse der Gleichstellungs- und Frauenministerkonferenz, Empfehlungen der BAG Wohnungslosenhilfe) berücksichtigt?
3. Bedarfslage
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Wie schätzt die Kreisverwaltung selbst den aktuellen Bedarf an spezifischen stationären Schutzplätzen für wohnungslose Frauen im Landkreis Lüneburg und in der Region Nordost-Niedersachsen ein?
- Welche eigenen Daten oder Berichte liegen der Verwaltung hierzu vor?
4. Alternativen & Perspektiven
- Welche Alternativen zu dem von Lebensraum.Diakonie vorgeschlagenen Frauenschutzbereich sieht die Kreisverwaltung, um den besonderen Bedarfen wohnungsloser Frauen im Landkreis gerecht zu werden?
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Welche Planungen bestehen, die Versorgungssituation für wohnungslose Frauen – insbesondere mit Blick auf Gewaltschutz – zu verbessern?
Sachverhalt
Der Lebensraum Diakonie e. V. hat beim Landkreis Lüneburg eine Erhöhung um zehn Plätze in der stationären Hilfe nach §§ 67 – 69 SGB XII ff beantragt, um einen Schutzbereich für wohnungslose Frauen einzurichten. Die Einrichtung eines Frauenschutzbereichs in der stationären Hilfe nach § 67 SGB XII wird vom Landkreis Lüneburg grundsätzlich begrüßt.
Mit dem Lebensraum Diakonie e.V. hat am 19.09.2025 ein Gespräch über die Möglichkeiten des Landkreises hinsichtlich einer Realisierung dieses Vorhabens stattgefunden.
Die Verwaltung beantwortet die Fragen1 bis 4 dieser Anfrage wie folgt:
Erläuternde Einlassung der Verwaltung:
Obdachlosigkeit ist kein persönliches Versagen, sondern Ausdruck sozialer und struktureller Brüche. Menschen können durch Jobverlust, Trennung, Krankheit (z.B. Drogen- oder Alkoholabhängigkeit) oder Schulden in diese Lebenslage geraten.
Das Sozialgesetzbuch bietet mit den „Hilfen in besonderen Lebenslagen“ nach §§ 67 bis 69 SGB XII einen rechtlichen Rahmen, um wohnungslose Menschen auf ihrem Weg aus der Obdachlosigkeit zu unterstützen.
Eine dieser Unterstützungsleistungen kann eine stationäre Hilfe nach § 67 SGB XII in einer wohnheimähnlichen oder betreuten Wohnform sein. Diese ist nicht zu verwechseln mit der Unterbringung von Wohnungslosen nach Ordnungsrecht, wozu die Gemeinden verpflichtet sind.
Diese Unterbringung nach Ordnungsrecht erbringt der Lebensraum Diakonie e.V. für die Hansestadt Lüneburg in der Herberge Plus Auf dem Benedikt. Dort erfolgt auch eine Ansprache der wohnungslosen Personen, wenn diese nach Einschätzung des Lebensraums Diakonie e.V. die Bereitschaft signalisiert haben, ihre Situation verändern zu wollen, ob diese ein § 67-Angebot in Anspruch nehmen möchten. Der Lebensraum Diakonie e.V. erarbeitet mit diesen Personen dann einen Hilfeplan, dessen Ziel es ist, die Wiedereingliederung in ein selbstbestimmtes, stabiles Leben zu ermöglichen.
Diese Angebote können wahlweise als ambulante oder stationäre Hilfen geplant werden. Stationäre Angebote, für die der Lebensraum Diakonie e.V. 62 Plätze bereithält, nehmen in der Regel Menschen in Anspruch, die aufgrund besonderer sozialer Schwierigkeiten (z.B. Langzeitobdachlosigkeit, psychische Erkrankung, Suchtproblematik) nicht sofort selbstständig wohnen können. Im stationären Angebot bekommen die Menschen Unterkunft, Verpflegung und umfassende sozialpädagogische Begleitung mit dem Ziel der sozialen Stabilisierung und Vorbereitung auf ein eigenständiges Leben in einer eigenen Wohnung.
1. Verfahrenshintergrund
Auf welcher rechtlichen Grundlage und in welchem Verfahren wurde die Entscheidung über die Ablehnung des Antrags getroffen?
Rechtsgrundlage zum Abschluss von Vereinbarungen zwischen Trägern der Sozialhilfe und Leistungserbringern ist § 77 SGB XII. Der Verhandlungsprozess wird durch eine schriftliche Aufforderung eingeleitet. Der Träger der Sozialhilfe wiederum entscheidet im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags, ob und mit welchem Inhalt er das Angebot annimmt. Kommt innerhalb von drei Monaten keine Einigung zustande, kann eine gemeinsame Schiedsstelle angerufen werden, um über die strittigen Punkte zu entscheiden.
Der Lebensraum Diakonie e.V. hat beantragt, die Platzzahl für das stationäre Angebot von 62 auf 72 Plätzen zu erweitern. Die zehn zusätzlichen Plätze sollen der Einrichtung eines Angebots für Frauen dienen.
Der Lebensraum Diakonie e.V. hat die Idee, die Platzzahl zu erhöhen und ein Angebot für Frauen zu installieren, im Dezember 2024 mündlich kundgetan. Mit Schreiben vom 07.07.2025 wurden Entwürfe einer Konzeption sowie einer Leistungsvereinbarung und eine Kalkulation zugesandt.
Der Landkreis Lüneburg ist in dieser Angelegenheit aktuell mit dem Landesamt für Soziales, Jugend und Familie im Kontakt und kann zum weiteren Verfahren derzeit keine verbindlichen Angaben machen, wobei erste Telefonate mit dem Land auf eine Ablehnung der Platzzahlerhöhung hindeuten.
Welche Stellen oder Fachabteilungen des Landkreises waren in die Entscheidung eingebunden?
Beim Landkreis Lüneburg wurde der Fachdienst Sozialhilfe und Wohngeld beteiligt, weil dort die Budgetverantwortung liegt. Der Fachdienst Pflege und Teilhabe für Erwachsene war eingebunden, da dort die Verantwortung für die Verhandlungen der Angebote nach § 67 SGB XII liegen.
2. Begründung der Ablehnung
Welche konkreten Gründe führten zur Ablehnung des Antrags auf Erhöhung der Platzzahl von 62 auf 72 Plätze mit einem separaten Frauenschutzbereich?
Die Einrichtung eines separaten Frauenschutzbereichs wurde und wird seitens des Landkreises ausdrücklich begrüßt. Die Verwaltung hat sich vorab bei der Zentralen Beratungsstelle Niedersachsen (ZBS Nds) für Vorhaben im Bereich des § 67 SGB XII beraten lassen. Darüber hinaus hat ein Austausch mit dem Landkreis Nienburg stattgefunden, in dem bereits ein Frauenschutzbereich etabliert wurde.
Die Auswertung der ZBS Nds ergab, dass in den vergangenen Jahren bereits durchschnittlich ca. zehn Frauen in dem stationären Angebot der Herberge Plus betreut wurden. Ferner gehen laut ZBS Nds die stationären Fallzahlen landesweit zugunsten der ambulanten Hilfe zurück.
Zurzeit gibt es ca. 1.300 stationäre Plätze in Niedersachsen. Bezogen auf die Einwohnerzahl würden auf den Landkreis Lüneburg ca. 32 Plätze fallen. Das Angebot von 62 Plätzen liegt somit schon heute deutlich über dem Durchschnitt im Landesvergleich.
Der Landkreis ist verpflichtet, Erweiterungen von Angeboten und zusätzliche Angebote mit dem Land abzustimmen.
Die Entscheidung beinhaltet ausdrücklich keine Absage an einen gesonderten Frauenschutzbereich. Dem Lebensraum Diakonie e. V. wurde in einem persönlichen Gespräch am 19.09.2025 mitgeteilt, dass sie diesen entwickeln könne und der Landkreis die Einrichtung auch bei den Investitionskosten begleiten könnte, allerdings innerhalb des bestehenden Platzzahlrahmens.
Wurden dabei die in den Antragsunterlagen angeführten rechtlichen Verpflichtungen (z. B.
Istanbul-Konvention, Beschlüsse der Gleichstellungs- und Frauenministerkonferenz, Empfehlungen der BAG Wohnungslosenhilfe) berücksichtigt?
Mit der Unterstützung der Einrichtung eines besonderen Angebots für Frauen sieht der Landkreis Lüneburg die gesetzlichen Verpflichtungen als eingehalten an. Der Landkreis wäre dann einer der wenigen Landkreise in Niedersachsen, in dem ein solches Angebot vorgehalten wird.
3. Bedarfslage
Wie schätzt die Kreisverwaltung selbst den aktuellen Bedarf an spezifischen stationären
Schutzplätzen für wohnungslose Frauen im Landkreis Lüneburg und in der Region Nordost- Niedersachsen ein?
Welche eigenen Daten oder Berichte liegen der Verwaltung hierzu vor?
Dem Landkreis liegen keine Zahlen vor, welcher Anteil der obdachlosen Frauen, die in ein stationäres § 67-Angebot übergehen möchten, tatsächlich ihren letzten festen Wohnsitz im Landkreis Lüneburg hatten.
Es ist davon auszugehen, dass die Obdachlosen, die sich derzeit im Landkreis Lüneburg aufhalten, vor der Obdachlosigkeit nicht sämtlich im Landkreis wohnhaft waren. Die Zuständigkeit des Landkreises umfasst nur das Gebiet des Landkreises und nicht die Region Nordostniedersachsen, für die der Lebensraum Diakonie e.V. zuständig ist. Mit dem oben angegebenen Angebot im Umfang von zehn Plätzen sähe der Landkreis den Bedarf für seine Region als gedeckt an.
4. Alternativen & Perspektiven
Welche Alternativen zu dem von Lebensraum Diakonie vorgeschlagenen Frauenschutzbereich sieht die Kreisverwaltung, um den besonderen Bedarfen wohnungsloser Frauen im Landkreis gerecht zu werden?
Welche Planungen bestehen, die Versorgungssituation für wohnungslose Frauen – insbesondere mit Blick auf Gewaltschutz – zu verbessern?
Der Landkreis begrüßt die Einrichtung eines stationären § 67-Angebots für Frauen durch den Lebensraum Diakonie e.V. e ausdrücklich und hat dies der Diakonie auch mitgeteilt. Daher entwickelt der Landkreis kein Alternativangebot.
Für darüberhinausgehende Angebote im Bereich des Ordnungsrechts liegt die Zuständigkeit bei den Gemeinden. Die Verwaltung hat Kenntnis darüber, dass der Lebensraum Diakonie e.V. das Gespräch mit der Hansestadt sucht, um auch im Ordnungsbereich einen besonderen Schutzraum für obdachlose Frauen zu entwickeln.









