Beschlussvorlage - 2020/180
Grunddaten
- Betreff:
-
Fährverbindung Bleckede - Neu Bleckede
- Vorlageart:
- Beschlussvorlage
- Federführend:
- Bildung und Kultur
- Bearbeitung:
- Petra Lüdde
- Verantwortlich:
- Srugis, Freia
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Erledigt
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Ausschuss für Mobilität
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Beratung
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10.06.2020
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Erledigt
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Kreisausschuss
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Beratung
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Erledigt
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Kreistag
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Entscheidung
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15.06.2020
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Sachverhalt
Sachlage:
Die Fährverbindung Bleckede –Neu Bleckede bindet mit der Fähre „Amt Neuhaus“ zusammen mit der
Fährverbindung Darchau – Neu Darchau die Gemeinde Amt Neuhaus und den rechtselbischen Teil der
Stadt Bleckede an das übrige Gebiet des Landkreises Lüneburg an. Seit einigen Jahren gibt es
Überlegungen, die Fährverbindung Bleckede – Neu Bleckede zu verbessern. Hierfür wurden folgende
Ziele benannt:
1. Betriebssicherheit
Ausgangspunkt und oberstes Kriterium aller Überlegungen ist die Gewährleistung der
Betriebssicherheit. Die ca. 80 Jahre alte Fähre „Amt Neuhaus“ kann den Regelbetrieb bewältigen. Probleme treten aufgrund folgender Umstände auf:
Hochwasser
Niedrigwasser
Sandbänke
Wind
Im Hochwasserfall werden die Hochwasseranleger benutzt, wodurch sich der Fahrweg deutlich
verlängert. Außerdem liegt eine wesentlich stärkere Strömung vor. Kommt noch starker Wind hinzu,
wird der Betrieb erheblich erschwert. Die „Amt Neuhaus“ erreicht die Hochwasseranleger des anderen
Ufers nur aufgrund der Erfahrung der Fährbetreiber. Unter Umständen ist der Betrieb einzustellen.
Hauptgrund dafür ist die eingeschränkte Leistungsfähigkeit der Antriebe.
Bei Niedrigwasser hängt der Betrieb vom Tiefgang der Fähre ab. Mit 60 cm kann die Amt Neuhaus auch
noch unter extremen Bedingungen fahren, was aber in den letzten Jahren trotzdem zu Ausfällen geführt
hat. Ein Tiefgang von nicht mehr als 60 cm ist unabdingbare Voraussetzung.
Sandbänke sind ein großes Problem, das durch die Fähre nicht oder nicht wesentlich beeinflusst
werden kann. Aufgrund des geringen Tiefgangs und der Sandbänke kommen jedoch nur bestimmte
Antriebsarten in Betracht (z.B. Jet-Antrieb). Mit diesen Antrieben kann eine Fahrrinne zumindest
behelfsmäßig freigespült werden.
Wind wirkt sich nicht nur auf die Manövrierfähigkeit, sondern auch auf die Seitenstabilität aus. Hier
können ein stärkerer Antrieb und eine Verbreiterung helfen.
Die Betriebssicherheit steht in der Zielhierarchie an erster Stelle, denn eine Fährverbindung muss
verlässlich sein. Daran wird sie von den Bürgerinnen und Bürgern gemessen. Deshalb ist dieser Aspekt
nicht durch andere Vorteile auszugleichen.
2. Klimafreundlichkeit
Der Klimaschutz ist eine Aufgabe, der wir uns alle stellen müssen. Gerade der Verkehr kann hierzu
Beiträge leisten. Die „Amt Neuhaus“ ist mit einem funktionstüchtigen Dieselmotor ausgestattet, der
allerdings nicht mehr den modernen Umweltanforderungen genügt, die an einen neuen Antrieb eines
Binnenschiffs zu stellen sind. Diese Anforderungen wurden in jüngster Zeit deutlich verschärft. Zunächst
gab es keine Dieselmotoren, die bei einem Schiffsneubau die Emissionskriterien erfüllen konnten. Dies
ist bei den neusten Motoren aber möglich. Neubauten mit Dieselantrieben können mit dieselelektrischen
System – als Hybrid also in Verbindung mit Batterien – ausgeführt werden, auch mit zusätzlichen
Lademöglichkeiten an Land.
Alternativen werden in rein batterieelektrischen oder wasserstoffgetriebenen Antrieben gesehen.
In all diesen Fällen ist der Hauptantrieb ein Elektromotor.
Im Schiffbau untersuchen die Ingenieure zuerst die Fahrroute und das Bewegungsprofil für eine neue
Fähre. Aus den somit definierten Anforderungen wird die Planung abgeleitet.
Ein rein batterieelektrischer Antrieb könnte durchaus den Regelbetrieb auf der Fährverbindung
Bleckede – Neu Bleckede erbringen. Im Hochwasserfall wäre eine Unterstützung durch einen Dieselmotor nach Expertenmeinung erforderlich.
Die Wasserstofftechnik wird sich wahrscheinlich zu einer echten Alternative entwickeln. Noch liegen
jedoch keine Industriestandards vor, so dass bei einem Wasserstoffantrieb voraussichtlich nicht die Betriebssicherheit gewährleitstet werden könnte. Ökologisch macht ein Wasserstoffantrieb nur Sinn, wenn
ausreichend „grüner“ Wasserstoff zur Verfügung steht. Die dazu erforderlichen Konzepte sind in
manchen Regionen in der Erprobung, stehen aber noch nicht verlässlich zur Verfügung.
3. Kapazität
Mit einer Neuanschaffung einer Fähre sollte die Tragfähigkeit und Stabilität erhöht werden. Linienbusse
können jedoch nur mit einer aufwändigen Anpassung der Fähranleger befördert werden. Deswegen
wurde auf diese Option verzichtet. Für den PKW-Verkehr reicht eine moderate Erweiterung der
Kapazität aus. Ein Problem stellt der landwirtschaftliche Verkehr dar, weil die Zugmaschinen mit
Anhängern und Gerät in den letzten Jahren immer größer und schwerer geworden sind. Eine technisch
sichere Lösung wird nur mit einem größeren Aufwand möglich sein, wobei sich die Frage stellt, ob dies
noch in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen steht.
Alternativenvergleich
Haushaltsrechtlich ist der Landkreis Lüneburg zu einem Wirtschaftlichkeitsvergleich verpflichtet. Dabei hat
er Nutzen und Kosten ins Verhältnis zu setzen und Alternativen zu betrachten. Die eigene finanzielle Leistungsfähigkeit spielt hier eine Rolle. Diese wird sich durch die Corona-Pandemie deutlich, durch wegbrechende Steuereinnahmen und zusätzliche Belastungen (u.a. ÖPNV, Kosten der Unterkunft im SGB II, Unterstützung von eigenen Gesellschaften, Senkung der Kreisumlage), verschlechtern. Nicht verkannt wird, dass sich die öffentliche Hand in Zeiten wirtschaftlicher Krisen antizyklisch verhalten sollte.
Nach aktuellem Stand stehen die folgenden Alternativen für einen Wirtschaftlichkeitsvergleich zur
Verfügung:
1. Nullvariante (alles bleibt wie es ist)
2. Ertüchtigung der „Amt Neuhaus“ durch neue Antriebe
3. Kauf einer gebrauchten Fähre
4. Neubau
a) Dieselelektrischer Antrieb/Hybrid
b) Batterieelektrischer Antrieb mit ergänzendem Dieselmotor
c) Wasserstoffantrieb
Diese Varianten müssen bewertet werden. Dazu dient die nachfolgende Tabelle. Es werden Punkte
vergeben: 5 = sehr gut, 4 = gut, 3 = befriedigend, 2 = ausreichend, 1 = schlecht. Die Kapazität hat nicht
dieselbe Bedeutung wie Betriebssicherheit und Klimafreundlichkeit und wird mit einem Faktor von 0,5
berechnet. Die Auflistung erhebt keinen wissenschaftlichen Ansatz. Sie soll dazu dienen, die Diskussion zu strukturieren.
| Betriebs-sicherheit | Klima-freundlichkeit | Kapazität | Kosten | Punkte | Rang |
Nullvariante | 3 | 1 | 3 (1,5) | 5 | 10,5 | 6 |
Ertüchtigung | 5 | 4 | 3 (1,5) | 5 | 15,5 | 1 |
Gebrauchte Fähre | 5 | 1 | 4 (2) | 5 | 14 | 3 |
Neue Fähre; dieselelektrisch | 5 | 4 | 5 (2,5) | 3 | 14,5 | 2 |
Neue Fähre, batterieelektrisch | 4 | 4 | 4 (2) | 3 | 13 | 5 |
Neue Fähre, Wasserstoff | 3 | 5 | 5 (2,5) | 3 | 13,5 | 4 |
Erläuterung:
Die Nullvariante verursacht deutlich die geringsten Kosten. Die Hauptschwäche liegt in der fehlenden
Klimafreundlichkeit, weil ein herkömmlicher Dieselmotor eingesetzt wird. Die Betriebssicherheit ist im
Vergleich zu den anderen Varianten im Hochwasserfall eingeschränkt.
Mittlerweile ist ein Angebot für eine gebrauchte Fähre in gutem Zustand mit einer größeren Kapazität zu
einem geringen Preis eingegangen, der etwas höher als die Ertüchtigung der vorhandenen Fähre ausfällt.
Die größeren Abmessungen könnten noch mit den Fähranlegern zusammenpassen. Dies wäre noch
genauer zu prüfen. Die Fähre ist aber über 60 Jahre alt und verfügt über einen Dieselmotor. Der Vorteil
würde sich auf die größere Kapazität beschränken.
Mit der Ertüchtigung würden die Mängel der „Amt Neuhaus“ für einen überschaubaren Kostenaufwand abgefangen werden, ohne zu einer völligen Optimierung zu führen.
Der Zustand der „Amt Neuhaus“ ist insgesamt gut (Anlage 1). Die Ertüchtigung würde kein marodes, sondern ein betriebstaugliches Schiff betreffen. Es ist mit Kosten im unteren sechsstelligen Bereich zu rechnen. Auf die Anlage 3 wird verwiesen.
Die Zielsetzung der Umbaumaßnahme soll eine kostengünstige Leistungssteigung des Vortriebes der Fähre sein. Gewählt wurde dafür je Schiffseite eine dieselelektrisch angetriebene Steuergitteranlage, wodurch sich die Stellfläche, beispielsweise für Fahrräder und Fußgänger, automatisch erweitert. Bei dieser Variante kann der alte Motor erhalten bleiben und notfalls zugeschaltet werden. Der dieselelektrische Antrieb ist bewährt und als Hybrid auch klimafreundlich, wenn auch nicht in dem Maße wie ein rein batterieelektrischer Antrieb oder ein Wasserstoffantrieb. Allerdings gibt es in der Fachwelt durchaus Stimmen, die in einer Gesamtbilanz keinen Nachteil im Vergleich zum rein batterieelektrischen Antrieb sieht. Diese Fachdebatte kann an dieser Stelle nicht vertieft werden. Die Kosten für eine neue Fähre mit batterieelektrischem Antrieb können sich bei um 5 Mio. € brutto bewegen.
Der rein batterieelektrische Antrieb erfordert eine sehr leichte Konstruktion des Schiffskörpers, was auf der Elbe zu einer Störanfälligkeit, zum Beispiel durch Treibgut, führen kann. Aus den Erfahrungen zur Moselfähre „Sankta Maria II“ werden technische Probleme berichtet, die häufig aufgetreten sind, den Betrieb aus der Sicht der Fahrgäste aber im Regelfall nicht beeinträchtigen. Zudem wird eine Ladeinfrastruktur erforderlich werden, was sich auf die Fähranleger auswirken kann. Finanziell kann sich der Aufwand für die Fähre im Rahmen des dieselelektrischen Antriebs bewegen, wobei jedoch weitere Kosten für die Fähranleger hinzukommen.
Nach Ansicht vieler Experten gehört die Zukunft dem Wasserstoffantrieb, der aber noch einige Probleme zu lösen hat. Neben der technischen Ausreifung gehört dazu auch die Organisation einer verlässlichen
Versorgungsinfrastruktur mit grünem Wasserstoff. Dies bedarf noch Zeit. Zu den Kosten kann noch nichts
Belastbares gesagt werden. Nach heutigem Stand würden die Betriebskosten höher als bei einem
konventionellen Antrieb liegen.
Die oben ausgeführte Bewertung kann mit guten Gründen auch anders vorgenommen werden. Das Ziel
dieser Darstellung ergibt sich aus dem nachfolgenden Punkt:
Mittel- und langfristige Betrachtung
Bedacht werden muss, dass die Variante „Ertüchtigung“ als Zwischenlösung gedacht ist. Die Neuanschaffung einer Fähre soll nicht aufgegeben, sondern auf eine Zeit verschoben werden, in der insbesondere die Wasserstofftechnik einen Reifegrad erreicht hat, der die Kosten senkt und die Betriebssicherheit erhöht. In der Fachwelt werden der Wasserstofftechnik derzeit die besseren Zukunftsprognosen attestiert. Die Entwicklung in Forschung und Technik braucht allerdings noch Zeit. Eine
Entscheidung für diese Technik hätte heute eine erprobende Zielrichtung aus dem Bereich der Forschung
und Entwicklung. Dies kann in Zeiten der finanziellen Belastungen, die auf uns zukommen, nicht Aufgabe
eines Landkreises sein.
Sollte sich der technische Trend bestätigen, würde die Bewertung in einigen Jahren anders ausfallen, weil
der Wasserstoffantrieb bei Betriebssicherheit und Kosten aufholen und auf die erste Position aufrücken könnte. Das kann zum heutigen Zeitpunkt aber noch nicht belastbar beurteilt werden.
Es wäre jedoch unglücklich, wenn jetzt eine Technik realisiert wird, die mittelfristig zu deutlich besseren
technischen Bedingungen und deutlich geringerem Kostenaufwand verfügbar sein wird.
Weitere Fragestellungen
Bei einer Neuanschaffung wäre der Betrieb der neuen Fähre auszuschreiben. Bisher tragen die Betreiber den Betriebsaufwand selbst, erhalten im Gegenzug aber alle Einnahmen. Mit effektiveren Antrieben sollte der Betriebsaufwand geringer ausfallen, weshalb eine Pachtzahlung beihilferechtlich zu erwarten ist. Diese
würde einen Vorsteuerabzug ermöglichen. Im Falle der Wasserstofftechnik ist dieser Weg fraglich, weil angesichts der noch nicht ausgereiften Technik möglicherweise sogar vom Landkreis Lüneburg ein Betriebskostenzuschuss an die Betreiber zu zahlen wäre.
Der Planungs- und Beschaffungsprozess ist aufwendig. Allein die rechtliche Beratung wäre finanziell nicht
weit von den Kosten entfernt, die bei der Ertüchtigung der „Amt Neuhaus“ anfallen würden. Die Ertüchtigung
der Fähre wäre schneller zu realisieren als die Neubeschaffung. Es würden möglichen Risiken eines aufwendigen Planungs-, Vergabe- und Bauprozesses reduziert werden.
In der Sitzung der Arbeitsgruppe „Verbesserung der Mobilität im Amt Neuhaus“ hat Herr Dirk Eden von der Hitzler-Werft das Konzept des Austausches der Antriebe vorgestellt. Die Präsentation ist der Vorlage beigefügt (Anlage 2).
Auch in der Sitzung des Ausschusses für Mobilität wird die Hitzler-Werft das Konzept vorstellen und wird dann auch die voraussichtlichen Kosten für den Austausch der Antriebe darlegen.
Anlagen
Nr. | Name | Original | Status | Größe | |
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1
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(wie Dokument)
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2,6 MB
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2
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(wie Dokument)
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771,8 kB
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3
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(wie Dokument)
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407,1 kB
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