07.07.2008 - 12 Antrag der Kreistagsfraktion Die Linke vom 11.0...
Grunddaten
- Beschluss:
- abgelehnt
Wortprotokoll
Diskussionsverlauf:
Vors. Fricke liest den
Änderungsantrag der GRÜNE-Fraktion (Eingang 07.07.2008) vor.
KTA Venderbosch begründet zunächst
den Antrag der Linke-Fraktion und macht deutlich, dass seine Fraktion die Lebenssituation
der Menschen im Landkreis Lüneburg, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens
stehen, verbessern wolle. Auch im kommunalen Bereich gäbe es
Handlungsmöglichkeiten, dazu würden jedoch konkrete Daten benötigt. Es gehe bei
diesem Antrag nicht um parteitaktische Spielchen. Weil der Antrag der
GRÜNE-Fraktion dem Ziel nahe komme, ziehe seine Fraktion ihren Antrag zurück.
Er schlage Überweisung in den Sozialausschuss vor.
Laut LR Nahrstedt beinhalte
der Antrag viele Fragen, die nicht zielführend seien. Man wisse nicht, wofür
die Beantwortung dieser Fragen gut sein solle. Dies wäre eine Fleißaufgabe.
Außerdem seien viele Daten im Internet abfragbar. Andere Daten seien nicht
bekannt und sollten auch aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht abgefragt
werden. Er empfehle Ablehnung.
KTA Forstreuter macht deutlich, dass
Armut auch in Deutschland ein ernstzunehmendes Problem sei. Dem Kreistag, insbesondere
dem Sozialausschuss, täte es gut, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen.
Leider sei der vorliegende Antrag der Linken überhaupt nicht zielführend. Mit
der Beantwortung der Fragen sei noch keinem armen Menschen im Landkreis
Lüneburg geholfen. Dadurch habe lediglich die Verwaltung viel Arbeit. Man
sollte sich in Ruhe damit auseinandersetzen, mit welcher Zielsetzung und mit
welcher Fragestellung es Sinn machen würde, einen Armutsbericht auch für den
Landkreis Lüneburg zu erstellen und was man mit den gewonnenen Informationen
anfangen wolle. Darüber hinaus wolle man erreichen, dass die Landesregierung
einen Bericht für Niedersachsen erstelle.
KTA Stange führt aus, dass
die Datenerhebung in der Tat schwierig sei. Außerdem werde nicht deutlich,
welchen Zweck KTA Venderbosch mit der Beantwortung dieser Fragen verfolge und
welche Relevanz für die politische Umsetzung bestehe. Genauso wenig habe sie
dies dem Wortbeitrag und Antrag der Grünen entnehmen können. Die Grüne-Fraktion
habe lediglich den Antrag der Linken übernommen und um einen Satz ergänzt. Man
habe vor einigen Jahren beschlossen, keinen Sozial- und Gesundheitsbericht mehr
von der Verwaltung erstellen zu lassen, da die Daten immer veraltet seien, die
Verwaltung sehr viel Arbeit damit habe und man bei der politischen Umsetzung
gar nichts damit anfangen könne. Dies bedeute noch lange nicht, dass man das
Thema aussparen wolle, sondern man müsse sachgerecht damit umgehen und gucken,
was im Fachausschuss wirklich passieren könne. Sie weist darauf hin, dass der
Ausschuss sich jedes Mal mit der Problematik Hartz IV befasse und die ARGE
einen Sachstandsbericht abgebe. Die Mitglieder von SPD und Gruppe lehnen diesen
Antrag ab, genauso auch den Änderungsantrag der Grünen. Sie betont noch einmal
ausdrücklich, dass man sich im Sozialausschuss mit dem Thema befasse. Es sei
reiner Populismus, diese Fragen noch einmal öffentlich zu stellen. Sie als
Vorsitzende des Sozialausschusses habe diese Thematik immer im Auge gehabt und
werde das im Fachausschuss auch weiterhin machen.
KTA Dr. Scharf fügt an, dass im
Stadtrat nahezu der gleiche Antrag gestellt worden sei. Er halte beide Anträge
für Schauanträge. Die Beantwortung der Fragen würde die Arbeitszeit der
Verwaltung überfordern. Er wolle nicht verkennen, dass es Armut und Reichtum im
Lande gebe. Alleine die Ermittlung der Kosten würde es jedoch notwendig machen,
ein internes Gutachten einzuholen. Zum anderen würden Land und Bund regelmäßig
Darstellungen, Schaubilder und Untersuchungen erstellen. Dem Landkreis Lüneburg
als Kommune würden die Handlungsinstrumente fehlen, um darauf sachkompetent
eingehen zu können. Was man aber tun könne, sei mit den zur Verfügung stehenden
Mitteln vor Ort soziale Probleme zu lösen und die Sozialeinrichtungen zu
unterstützen. Zwei Bereiche seien in der Vergangenheit intensiv diskutiert
worden, Mittagstische und Ganztagsschulen. Dies sei aktuelle Sozialpolitik, wo
man wirklich handlungsfähig sei. Dies sei auch die eigentliche Aufgabe des
Kreistages. Deshalb könne man den Antrag nur ablehnen.
Laut KTA Heinrichs ist
bereits deutlich geworden, warum der Antrag abzulehnen sei. Er halte den Antrag
der Linken für reinen Populismus und
etwas zynisch mit Blick auf die wirklich Bedürftigen in diesem Land. Der
Landkreis arbeite auf diesem Feld, er brauche keine zusätzlichen Informationen
dieser Art. Die Linke-Fraktion habe diesen Antrag gestellt, obwohl bekannt sei,
dass im Haushalt 54 Mio. € für den sozialen Bereich bereitgestellt
werden. Dies seien 30% des Haushaltes. Hinzu komme das Personal, dass ebenfalls
Millionen koste. Man könne daher nicht sagen, dass der soziale Bereich vor sich
hin kümmere. Das Gegenteil sei der Fall.
KTA Staudte erklärt, die
Fraktion wolle sicherlich keinen Bericht, der nur für die Schublade produziert
werde. Man wolle vielmehr einen Armuts- und Reichtumsbericht, der
handlungsorientiert sei. Er solle deutlich aufzeigen, wie die Entwicklungen in
nächster Zeit aussehen werden. Das Thema sei relevant, da die Mittelschicht
weiter ab- und die Armut zunehmen werde und dies in einer Boom-Phase. Die
Formulierung des Antrages ihrer Fraktion mache deutlich, dass die
Grüne-Fraktion einen Bericht haben wolle, der konkrete Empfehlungen ausspreche.
KTA Staudte erwähnt eine Pressemittlung des sozialpolitischen Sprechers der
Landtagsfraktion aus Juni 2008 unter der Überschrift: „SPD unterstützt
die Forderung des Sozialverbands nach Armutsbericht“. Über die weitere
Ausgestaltung sollte im Sozialausschuss beraten werden.
KTA Venderbosch beantragt, den
Antrag der Grünen in den Sozialausschuss zu verweisen.
KTA Berisha merkt kritisch
an, dass auch der geforderte Bericht der Grünen überflüssig sei. Es gebe bei
der Bundesregierung, beim Bundesamt und beim Landesamt derartige Statistiken
und es gebe auch über Lüneburg Statistiken aus dem Sozialausschuss. Beide
Anträge enthalten keine konkreten Vorschläge und auch keine Aussage darüber,
was mit den erhobenen Daten später geschehen solle. Er werde daher gegen beide
Anträge stimmen.
KTA Barufe führt aus, dass
man sich in seiner Fraktion gefragt habe, mit welchem Ziel dieser Antrag gestellt
wurde. Die Fraktion sei der festen Überzeugung, dass sich die staatlichen
Institutionen auf Bundesebene mit der gesellschaftlichen Problematik von Arm
und Reich in der Sozialgesetzgebung hinreichend befassen. Würde man Daten
erheben wollen, die handlungsorientiert sein sollen, müsse man Daten erheben,
für die man keine Rechtsgrundlage habe. Die Anträge führen zu nichts und seien
abzulehnen.
KTA Dr.
Althusmann fragt sich, welche Rückschlüsse aus solchen Zahlen gezogen werden
könnten. Der aktuell vorgelegte Bericht der Bundesregierung beziehe sich im
Wesentlichen auf Zahlen aus dem Jahr 2005. Man werde so lange mit den Zahlen
wenig anfangen können, wie diese nicht im höchsten Maße aktuell seien und dann
die Politik zu tagesaktuellem oder politischem Handeln auch tatsächlich
befähigen könnten. Die Tatsache, dass 13 % der Bundesbürger als arm gelten, sei
falsch. Der Bericht sage letztendlich nur, dass 13 % in der Bundesrepublik als
armutsgefährdet gelten würden. Man habe im Moment, bezogen auf Zahlen aus 2003,
ein mittleres Einkommen von 60 % EU-weit, dieses liege bei 938 €. 938
€ in Deutschland oder innerhalb der EU seien weit weg von einem
Armutsbegriff außerhalb der EU. Es sei verfehlt, Hartz IV- Empfänger immer mit
armen Menschen gleichzusetzen. Eine durchschnittliche Familie mit zwei Kindern
in Deutschland würde aus Sozialleistungen rund 1.200 € netto plus
Wohngeld und sämtliche Sozialversicherungsbeiträge erhalten. Er erinnere in
diesem Zusammenhang an die Mindestlohndebatte. Mancher Arbeitnehmer verdiene
weniger, obwohl er dafür 40 Stunden in der Woche arbeiten müsse.
Im Moment habe man in Niedersachsen den niedrigsten Arbeitslosenstand
seit über 16 Jahren. Allein die Jugendarbeitslosigkeit sei um 19,7 %
zurückgegangen. Es bringe nichts, eine Palette von Daten zu erheben und
Zahlenfriedhöfe anzulegen, weil diese Berichte im Wesentlichen als
Kerndatenbestand sowohl bei der Arbeitsagentur, als auch beim Landesamt für
Statistik, vorhanden seien. Man habe zu diesen Fragen weder auf Landesebene, noch
auf Ebene der Landkreise ein Erkenntnisdefizit. Gegen die bestehende Armut
werde bereits einiges unternommen, z.B. sei in Niedersachsen ein
Ausbildungspakt mit der Industrie, den Handelskammern, den Arbeitgeberverbänden
und verschiedenen Kommunalverbänden geschlossen worden, zudem gebe es z.B. ein
Programm, das sich an Jugendliche, die von Arbeitslosigkeit bedroht seien,
richte und ihnen spezielle Ausbildungsplätze anbiete. Außerdem gebe es in
Niedersachsen das Programm „Arbeit zur Qualifizierung“, die FIFA
Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt, 105 Jugendwerkstätten, zudem 44
Pro-Aktiv-Zentren in Niedersachsen. Man habe ein 100 Mio. € Programm für
Familien in Niedersachsen auf den Weg gebracht, dass beitragsfreie
Kindergartenjahr eingeführt, habe 25 Familienbildungsstätten und die
Kinderarmutsquote würde in Niedersachsen deutlich unter dem Bundesdurchschnitt
liegen. Das Argument, man würde nichts gegen die bestehende Armut tun, sei
daher nicht überzeugend.
KTA Dr. Bonin macht deutlich,
dass der Antrag der GRÜNE-Fraktion nicht beschlussfähig ist, weil die GRÜNE-Fraktion
die Handlungsorientierung nicht kriterienreif vorgelegt und keine Anhaltspunkte
geliefert habe. Ein handlungsorientierter Bericht wäre ein ernstzunehmendes
Thema, mit dem sich die Gremien befassen könnten.
KTA Stilke erinnert, dass er
vor 10 Jahren als Ausschussvorsitzender des Sozialausschusses den Sozialbericht
vorgestellt habe. Dieser hätte viele Daten beinhaltet, die Aufschluss darüber
gaben, was im Landkreis alles besser gemacht werden müsste. Man sollte nicht
immer nur auf das Land und den Bund verweisen. Er sehe auch den Landkreis in
der Pflicht. Der Sozialausschuss könne Handlungsperspektiven aufzeigen und
verdeutlichen, ob die getroffenen Handlungen auch Erfolg haben würden. Dafür
fordere die Fraktion einen derartigen Bericht.
KTA Peters erklärt, dass
dieser Antrag nicht in den Kreistag, sondern in den Landtag oder in den
Bundestag gehöre. Die GRÜNE-Fraktion verlange einen umfangreichen Bericht zu erstellen,
mit dem Wissen, dass dies mit veralteten Daten geschehen würde. Rückschlüsse
bzw. Zielperspektiven abzuleiten sei auf einer solchen Grundlage nicht möglich.
Die Verwaltung würde mit dieser Arbeit unnötig belastet. Vielmehr sollten
Projekte, wie die Zahlung von Essenszuschüssen für bedürftige Kinder, umgesetzt
werden.
KTA Forstreuter hebt noch einmal
hervor, dass die Grüne- Fraktion diesen Antrag und dieses Thema ausführlich im
Sozialausschuss, von Leuten, die sich auskennen, behandeln lassen wolle. Die
Diskussion zeige, dass Diskussionsbedarf bestehe. Würde man nicht einmal der
Verweisung in den Sozialausschuss zustimmen, würde dies zeigen, dass man dieses
Thema nicht wert finde, dort behandelt und in Ruhe diskutiert zu werden.
KTA Kamp äußert sich erstaunt
darüber, wie oft die GRÜNE-Fraktion mittlerweile ihren Antrag verändert habe.
Dies sei nicht die übliche Art und Weise der Zusammenarbeit. Es habe einen
ursprünglich Linken-Antrag gegeben, dieser sei dann auf Zuruf der Grünen zurückgezogen
worden. Dann sei dieser Antrag, der zuerst eine Ergänzung gewesen sei,
plötzlich ein Ersatz geworden. Außerdem stehe in diesem nichts von einer Überweisung
in den Sozialausschuss. Die SPD-Fraktion werde diesen Antrag schon aus formalen
Gründen ablehnen und fordere, dass man sich vorher darüber im Klaren werden
sollte, was man erreichen wolle. Ihm sei nicht klar, was ein Reichtumsbericht
zielführend bringen solle. So ein Bericht könne nur zu einer nicht gewollten
Neiddebatte führen. Seiner Fraktion gehe es um Menschen, die Probleme haben,
den normalen Erwerb und Unterhalt zu erzielen. Darüber sollte man reden. Würde
ein dementsprechender Antrag gestellt werden, wäre die SPD bereit, diesen zu
behandeln.
Abstimmung über den Antrag auf Überweisung an den
Sozialausschuss:
Abstimmungsergebnis: 9 Ja, 40 Nein, 2 Enthaltungen
Der Antrag wird abgelehnt.
- 5 -
Beschluss
Beschluss:
Die Linke-Kreistagsfraktion zieht ihren Antrag im Kreistag
zurück und schließt sich dem Antrag der GRÜNE-Fraktion an. Dieser Antrag
lautet:
„Der Landkreis Lüneburg fordert die Landesregierung auf,
einen Armuts- und Reichtumsbericht für Niedersachsen zu erstellen. Solange kein
aussagefähiger Armuts- und Reichtumsbericht für Niedersachsen vorliegt,
erstellt der Landkreis Lüneburg einen eigenen – handlungsorientierten
– Armuts- und Reichtumsbericht.“
Dieser Antrag wird bei 9:42 Stimmen abgelehnt.