Antrag an den Kreistag - 2007/119
Grunddaten
- Betreff:
-
Antrag der Grünen-Kreistagsfraktion und der Fraktion Die Linke vom 25.04.2007 (Eingang: 25.04.2007);Resolution zur Abschaffung des Gutscheinsystems
- Vorlageart:
- Antrag an den Kreistag
- Federführend:
- Büro des Landrats/ Presse und Öffentlichkeitsarbeit
- Bearbeitung:
- Britta Ammoneit
- Verantwortlich:
- Britta Ammoneit
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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●
Erledigt
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Kreisausschuss
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Beratung
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Erledigt
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Kreistag
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Entscheidung
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21.05.2007
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Beschlussvorschlag
Beschlussvorschlag:
Die Grüne-Kreistagsfraktion und die Fraktion Die Linke
beantragen, folgende Resolution durch den Kreistag zu beschließen:
„Die Ausgabe der Leistungen nach dem AsylbLG in Form von
Wertgutscheinen stellt eine für die Betroffenen diskriminierende und
bevormundende Praxis dar.
1. Der Kreistag Lüneburg
lehnt das Gutscheinsystem für Flüchtlinge ab und setzt sich aktiv für die Wiedereinführung
der Bargeldausgabe ein.
2. Die Verwaltung wird
beauftragt, sich bei der Landesregierung sowie beim Deutschen Landkreistag
(DLT) und beim Niedersächsischen Landkreistag (NLT) für die Rücknahme der
Erlasse des Innenministeriums vom 28.07.1997 und 31.07.1997 einzusetzen, damit
die Wertgutscheine grundsätzlich abgeschafft werden können.
3. Darüber hinaus wird
die Verwaltung beauftragt, den juristischen Stellenwert der Erlasse des
Innenministeriums vom 28.07.97 und 31.07.97 bzgl. der Ausgabe von Bargeld an
Flüchtlinge zu prüfen und dem Landkreis Lüneburg über die rechtliche Bindung
der Weisung, Wertgutscheine auszugeben, Bericht zu erstatten und ggf.
Klagemöglichkeiten aufzuzeigen.
4. Unabhängig davon wird
die Verwaltung beauftragt, eine Regelung zu treffen, die es den Flüchtlingen
ermöglicht, sich bei ihren Einkäufen mit Wertgutscheinen von Dritten vertreten
zu lassen.
5. Die unterstützenden
Fraktionen im Kreistag Lüneburg erklären, dass sie sich in ihren Parteien
landesweit für die Unterstützung der „Resolution zur Abschaffung des
Gutscheinsystems“ einsetzen.“
Sachverhalt
Sachlage:
Begründung der Grünen-Kreistagsfraktion sowie der Fraktion Die
Linke zum Antrag vom 25.04.2007:
„Die Gutscheinregelung ist diskriminierend. Sie bedeutet
für die Betroffenen Bevormundung, Demütigung und Stigmatisierung. In einem Europa,
das immer weiter zusammenwachsen soll, ist es in einem sozialen Rechtssystem
und im weltoffenen Landkreis Lüneburg nicht hinnehmbar, dass Menschen, die in
ihren Herkunftsländern verfolgt werden, hier einer weiteren Diskriminierung
unterliegen. Immer wieder berichten Flüchtlinge von offenen Anfeindungen und
ausländerfeindlichen Bemerkungen beim Einkauf mit Wertgutscheinen.
Für Flüchtlinge ist es nicht möglich, mit den 40 Euro, die
ihnen monatlich in Bargeld zur Verfügung stehen, ihren sonstigen Lebensbedarf
zu decken, denn neben Energie und Telefonrechnungen müssen zum Beispiel
Fahrkarten und Ausgaben für die Schule bar beglichen werden. Auch die für das
Asylverfahren und die Sicherung des Aufenthaltes von Migrantinnen und Migranten
unverzichtbare Inanspruchnahme einer Rechtsberatung kann nicht mit Gutscheinen
bezahlt werden.
Strittig ist auch immer wieder, welche Artikel mit Gutscheinen
gekauft werden dürfen, beispielsweise welche Hygieneartikel oder
Verhütungsmittel. Die Kassiererinnen und Kassierer entscheiden nicht selten
willkürlich und setzen die Anweisung auf dem Gutschein restriktiv um. Oft gibt
es Ärger mit der Herausgabe von Wechselgeld. Für die Betroffenen ist der
Einkauf deshalb eine deklassierende und erniedrigende Erfahrung.
Die Gutscheinregelung bereitet dem Landkreis Mehrkosten durch
einen gegenüber der Bargeldausgabe deutlich größeren Verwaltungsaufwand. Es
entstehen insbesondere Kosten für den Entwurf und den Druck der Wertgutscheine
sowie bei der Abrechnung mit den Einzelhändlern. Das Gutscheinsystem stellt
zudem einen Eingriff in die Geschäftsfreiheit des Einzelhandels dar. Auch für
sie entsteht ein erheblicher Verwaltungsaufwand, verspäteter Geldeingang sowie
die Verpflichtung, die Einkaufenden zu kontrollieren. Die Einzelhändler müssen
die Waren ihrer Kunden überprüfen, dürfen nur bestimmte Dinge gegen Gutscheine
abgeben und maximal 10% Wechselgeld aushändigen. Ebenfalls problematisch ist
es, die allgemein üblichen Regelungen des Warenumtauschs denjenigen Kunden zu
ermöglichen, die mit Gutscheinen bezahlt haben.
Die Rücknahme der genannten Erlasse würde die Abschaffung des
Gutscheinsystems im Landkreis Lüneburg und allen anderen Niedersächsischen
Kommunen vereinfachen, da ihnen sodann die Entscheidung obliegen würde,
Leistungen nach dem AsylbLG in Bargeld zu gewähren. Alle Nachbarländer
Niedersachsens verzichten inzwischen auf ähnliche Weisungen in Kommunen –
in Hessen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern wird flächendeckend Bargeld
ausgegeben.
In Niedersachsen hat der Stadtrat Göttingen in seiner Sitzung
am 09.02.2007 ebenfalls einen entsprechenden interfraktionellen Antrag
mehrheitlich verabschiedet. Neben der Stadt Göttingen hat der Rat der Stadt
Oldenburg bereits im Herbst einstimmig die Abschaffung der Wertgutscheine
zugunsten der Wiedereinführung von Bargeld gefordert.
Es ist zudem absurd, wenn Kommunen immer wieder von ihren
Aufsichtsbehörden zu Einsparmaßnahmen verpflichtet, aber gleichzeitig durch
derartige Vorgaben zu leicht vermeidbaren Ausgaben gezwungen werden. Diese
Kosten können eingespart und beispielsweise für dringende Integrationsmaßnahmen
eingesetzt werden.
Gemäß den genannten Erlassen sollen Leistungen nach dem AsylbLG
in Niedersachsen vorrangig in Wertgutscheinen ausgegeben werden. Es ist zu
prüfen, ob und wenn ja auf welcher rechtlichen Grundlage es für den Landkreis
Lüneburg – wenn auch nachrangig – so aber doch möglich ist, Bargeld
statt Gutscheine auszugeben.
Da es sich bei den fraglichen Erlassen zudem um knapp zehn
Jahre alte Beschlüsse handelt, muss untersucht werden, inwieweit die Gründe,
die damals zu den Erlassen geführt haben, heute in gleicher Weise bestehen.
Dabei sind sowohl die Erfahrungen zu berücksichtigen, die in der Zwischenzeit
mit dem Gutscheinsystem gemacht wurden, als auch die Beweggründe zahlreicher
anderer Bundesländer und Kommunen, die dort zur Wiedereinführung von
Bargeldzahlungen geführt haben.
Die weitere Begründung erfolgt mündlich.“
