Besser Radfahren auf „1.000 km Feldweg“: Forschungsprojekt „Radverkehrsförderung 3.0“ im Landkreis Lüneburg
Schleichwege für das Rad, fernab der von Autos befahrenen Hauptstraßen, zwischen den kleineren Orten auf dem Land: Das Projekt „Radverkehrsförderung 3.0“ von Leuphana Universität und Landkreis Lüneburg lässt die Menschen im Landkreis besser Radfahren. Wo sind die schönsten, komfortabelsten und schnellsten Routen, welche Hindernisse können leicht beseitigt, welche Schilder abgebaut werden? Jetzt haben die Studierenden einen symbolstarken Meilenstein erreicht: Mehr als 1.000 km Feldweg und andere Nebenstrecken haben sie und ein Vorgängerprojekt seit 2019 erfasst. Noch bis 2024 läuft das Projekt und die Wege im Landkreis werden nach und nach verbessert – erste Ergebnisse, wie zum Beispiel eine genauere Routenführung, spüren Nutzerinnen und Nutzer von Radfahr-Apps schon jetzt. Gefördert wird die Optimierung der Infrastruktur durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr im Förderprogramm „Modellvorhaben des Radverkehrs“. Die Erfahrungen, die der Landkreis, die Gemeinden und die Uni gemeinsam sammeln, stehen nach Abschluss auch anderen Kommunen zur Verbesserung ihrer Radinfrastruktur zu Verfügung.
Zwei Dimensionen erheben die Studierenden, wenn sie auf den kleinen Nebenstraßen und Feldwegen unterwegs sind: Zum einen geben sie den Wegeverlauf und die Beschaffenheit der Fahrbahn ein. „Wie rollt es sich?“, formuliert es Dr. Antje Seidel, die das Projekt an der Leuphana betreut. Die Studierenden fahren auf jedem Weg selbst mit dem Rad und geben qualifizierte Daten in die OpenStreetMap (OSM) ein. Das ist ein Open-Source-Projekt, auf das viele Radfahr-Apps, zum Beispiel OsmAnd, Komoot, Bike Citizens, Outdooractive, Bikemap, zugreifen. „Damit schaffen die Studierenden einen Vorteil, der den Bürgerinnen und Bürgern sofort mehr Radfahrkomfort verschafft. Je mehr Details erhoben werden, desto besser navigieren nachher die Apps.“
Zum anderen vermerken die Studierenden sogenannte Mikrohindernisse. Antje Seidel: „Es sind die kleinen Barrieren im Alltag, die Radfahrerinnen und Radfahrer nerven und aufhalten: Poller, Schranken, Drängelgitter, die oftmals nicht notwendig sind.“ Außerdem gibt es rechtliche Hindernisse. Ein Beispiel hierfür, das häufig an Feldwegen zu finden ist: Das Schild „Durchfahrt verboten“ mit dem Zusatz „Landwirtschaftlicher Verkehr frei“. Antje Seidel: „Hier dürfen Radfahrer nicht fahren, das ist nicht logisch.“ Die Sammlung der „störenden Kleinigkeiten“ erhält dann der Landkreis Lüneburg. Projektkoordinatorin Marina Schweikert vom Fachdienst Mobilität kümmert sich um die politische, rechtliche und bauliche Umsetzung. Der Landkreis Lüneburg übernimmt für die Mitgliedsgemeinden die Abwicklung. „Wir bereiten die Vorschläge der Studierenden für die Gemeinden auf, damit auf deren Gebiet die Verbesserungen vorgenommen werden können. Die Gemeinden äußern sich zu jeder einzelnen Maßnahme und gegebenenfalls diskutieren die Gemeinderatsmitglieder über mögliche Veränderungen“, erläutert Marina Schweikert. Denn: Radverkehrsförderung ist ein demokratisches Gemeinschaftsprojekt.
Nach der Entscheidung liegt dann alles weitere in der Hand des Landkreises. Marina Schweikert: „Wir beauftragen ein Ingenieurbüro mit der Planung und ein Bauunternehmen mit der Umsetzung – und kümmern uns um die Abrechnung mit dem Fördermittelgeber. So haben die einzelnen Kommunen nur wenig Arbeit und viele Vorteile.“ Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr fördert das Projekt des Landkreises mit rund 1,67 Millionen Euro und bezuschusst damit mit 80 % die Gesamtkosten. Die Gemeinden zahlen lediglich 20% der Kosten, die für Infrastrukturmaßnahmen bei ihnen anfallen. Diese können eventuell durch anderweitige Fördermittel ergänzt werden. Der Projektpartner Leuphana Universität erhält ebenfalls eine Förderung des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr in Höhe von ca. 175.000 Euro.
Hintergrund zum Projekt
Besser zusammenarbeiten!
Das Forschungsprojekt „Radverkehrsförderung 3.0“ (RVF 3.0) ist als „lernendes Projekt“ angelegt, dessen Ergebnisse als „best practice“-Beispiel für andere Kommunen dienen können und so langfristig die Radmobilität und damit Umwelt- und Klimaschutz voranbringen sollen. Besonders ist die Kombination aus Lehre und praktischer Anwendung, aus intensiver Zusammenarbeit von Bildungseinrichtung (Leuphana Universität) und Landkreis Lüneburg mit seinen Mitgliedsgemeinden. Begonnen haben die Studierenden 2021 mit der Erschließung des Dreiecks Lüneburg-Lauenburg-Bleckede (Stadt Bleckede, Gemeinde Adendorf, Samtgemeinde Scharnebeck), aktuell (2022) sind sie in der Samtgemeinde Ostheide, Gemeinde Amt Neuhaus und Samtgemeinde Dahlenburg unterwegs. Es folgen 2023 die Samtgemeinden Ilmenau, Gellersen, Bardowick und 2024 Amelinghausen.
Besser durchblicken!
Mit der Radverkehrsförderung 3.0 und ihrem digitalen Baustein #LGMaps digitalisieren die Studierenden bis 2024 Straßen und Wege durch Wald und Feld. Der Ist-Zustand der mit dem Rad nutzbaren kleinen Nebenstraßen und Feldwege wird in der offenen Datenbank der OpenStreetMap (OSM) erfasst. Die OSM-Daten dienen einem Großteil aller Navigationsapps als Datengrundlage für ihre Routenempfehlungen. Sie werden durch die Studierenden der Leuphana und in Zusammenarbeit mit der lokalen OSM-Community systematisch vervollständigt. Außerdem werden zum Beispiel auch unechte Sackgassen, die für den Radverkehr durchlässig sind, als solche ausgeschildert und damit die analoge Netztransparenz verbessert.
Besser durchkommen!
Mikrohindernisse werden beseitigt, die das Radfahren im Alltag unnötig verkomplizieren. So werden Umlaufsperren und Poller abgebaut oder versetzt, wo sie das Durchfahren behindern; Einbahnstraßen für Radfahrende in Gegenrichtung freigegeben und Bordsteine abgesenkt. Mit diesen und weiteren konkreten Maßnahmen wird eine maximale Netzdurchlässigkeit geschaffen – und das auf der großen Fläche des Landkreises, immer dort, wo es die Menschen direkt betrifft, wo sie wohnen, arbeiten, einkaufen, zur Schule oder einfach nur zur Bushaltestelle radeln. Die Maßnahmen ergänzen die umfassenderen Vorhaben der langfristigen Radverkehrsstrategie des Landkreises um kleinteiligere und kurzfristig umsetzbare Lösungen.
Weitere Infos unter www.landkreis-lueneburg.de/radverkehrsfoerderung_3.0
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